Die Früherkennung von Brustkrebs gehört zu den zentralen Maßnahmen in der modernen Medizin, um die Heilungschancen für Patientinnen zu verbessern. Jährlich erkranken in Deutschland rund 70.000 Frauen an Brustkrebs, und laut den Zahlen des Robert Koch-Instituts sind etwa 20% aller Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren von der Krankheit betroffen. Frühe Diagnosen erhöhen die Überlebensrate erheblich, doch die genaue Auswertung der Mammografien bleibt eine große Herausforderung. Hier kommt die Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel, deren Potenzial in der medizinischen Bildanalyse immer deutlicher wird.

Die Rolle der KI in der Brustkrebserkennung

KI-Systeme haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, vor allem in der Bildverarbeitung. Sie können Muster und Anomalien in Mammografien mit hoher Präzision erkennen und so die Arbeit von Radiologen unterstützen. Ein zentraler Vorteil von KI liegt in ihrer Fähigkeit, große Datenmengen schnell zu verarbeiten und dabei Muster zu identifizieren, die für das menschliche Auge schwer erkennbar sind.

Laut einer Studie der University of Oxford aus dem Jahr 2020, die in der Fachzeitschrift *Nature* veröffentlicht wurde, konnte KI die Erkennungsrate von Brustkrebs in Mammografien um 5 bis 7 Prozent steigern, was in etwa einer Reduktion der Fehlerrate um ein Drittel entspricht. In dieser Untersuchung wurde KI bereits als potenzielles Hilfsmittel zur Unterstützung von Radiologen anerkannt, um sowohl falsch-negative als auch falsch-positive Befunde zu reduzieren.

Eine weitere Studie, die 2023 im *Lancet Oncology* erschien, zeigte, dass KI-gestützte Systeme sogar in der Lage sind, Brustkrebs früher zu erkennen als herkömmliche Screening-Methoden. So konnten mit KI-Algorithmen in einer multizentrischen Untersuchung mehr als 90% der Fälle von Brustkrebs korrekt diagnostiziert werden, im Vergleich zu etwa 80% bei traditionellen Methoden.

Vorteile und Herausforderungen

Der Einsatz von KI im Brustkrebs-Screening bringt zahlreiche Vorteile mit sich. So könnte KI nicht nur die Genauigkeit der Diagnosen erhöhen, sondern auch die Arbeitsbelastung der Radiologen verringern, indem sie vor allem bei der Sichtung von Mammografien eine unterstützende Rolle übernimmt. In einem europäischen Pilotprojekt, das in mehreren Ländern durchgeführt wurde, zeigte sich, dass die Einführung von KI die Screeningzeiten erheblich verkürzen könnte, ohne die Qualität der Diagnose zu beeinträchtigen.

Allerdings gibt es auch Herausforderungen, die mit dem Einsatz von KI verbunden sind. Ein großes Thema ist die Datenqualität: Um KI-Systeme effektiv trainieren zu können, sind große Mengen an qualitativ hochwertigen Bilddaten erforderlich. Die Daten müssen vielfältig sein, um sicherzustellen, dass KI-Algorithmen für alle relevanten Szenarien und Patientengruppen robust sind. Hinzu kommt, dass KI als unterstützendes Werkzeug konzipiert ist, jedoch nicht den menschlichen Experten ersetzen soll. Ein „finales Urteil“ muss immer von einem Radiologen getroffen werden, der die Ergebnisse der KI überprüft.

Ein weiteres Hindernis könnte in der breiten Implementierung der Technologie liegen. In vielen Ländern gibt es nicht nur große Unterschiede in der medizinischen Infrastruktur, sondern auch in der Verfügbarkeit von KI-gestützten Systemen. Zwar sind KI-basierte Lösungen mittlerweile in einigen großen Krankenhäusern und spezialisierten Kliniken verfügbar, doch ihre flächendeckende Einführung steht noch aus.

Fazit

Die Integration von Künstlicher Intelligenz in das Brustkrebsscreening ist ein vielversprechender Schritt hin zu einer genaueren und effizienteren Früherkennung von Brustkrebs. KI kann die Diagnose verbessern, indem sie Radiologen bei der Identifikation von Anomalien unterstützt und hilft, sowohl falsch-positive als auch falsch-negative Ergebnisse zu reduzieren. Dennoch bleibt es entscheidend, dass KI als Ergänzung zur Expertise des medizinischen Fachpersonals betrachtet wird. Zukünftige Entwicklungen müssen sich darauf konzentrieren, die Qualität der zugrunde liegenden Daten weiter zu verbessern und KI-Systeme für eine breitere klinische Anwendung zugänglich zu machen. Wenn diese Herausforderungen gemeistert werden, könnte KI einen bedeutenden Beitrag zur Bekämpfung von Brustkrebs leisten und dazu beitragen, Leben zu retten.

Quelle: s41591-024-03408-6

Nationwide real-world implementation of AI for cancer detection in population-based mammography screening