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Die frühe Besiedlung des menschlichen Körpers mit Mikroorganismen, insbesondere im Darm, spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des Immunsystems, die Gesundheit und das langfristige Wohlbefinden. Der Forschungsartikel „Delivery mode, birth order, and sex impact neonatal microbial colonization“ untersucht, wie verschiedene Faktoren – insbesondere der Geburtsmodus, die Geburtsreihenfolge und das Geschlecht – die erste mikrobielle Besiedlung bei Neugeborenen beeinflussen.

Hintergrund und Bedeutung

Die neonatalen Mikroben, die bei der Geburt in den Körper des Babys gelangen, setzen den Grundstein für die spätere Mikrobiota. Diese frühe Besiedlung ist dynamisch und wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. Das Verständnis dieser Einflüsse ist wichtig, um mögliche Risiken für Krankheiten wie Allergien, Asthma oder Autoimmunerkrankungen zu minimieren. Besonders relevant sind dabei der Geburtsmodus (Kaiserschnitt oder vaginale Geburt), die Reihenfolge der Geburt (erstgeboren oder Geschwisterkinder) sowie das Geschlecht des Babys.

Methodik der Studie

Die Studie analysierte eine Kohorte von Neugeborenen und untersuchte die Zusammensetzung ihrer mikrobiellen Gemeinschaften in den ersten Lebenstagen. Dabei wurden Proben aus verschiedenen Körperstellen entnommen und mittels moderner Sequenzierungstechnologien ausgewertet. Ziel war es, Unterschiede in der mikrobiellen Besiedlung in Abhängigkeit von den genannten Faktoren zu identifizieren.

Wichtigste Ergebnisse

  1. Geburtsmodus:
    Die Ergebnisse zeigten, dass Babys, die vaginal geboren wurden, eine vielfältigere und typischere Darmmikrobiota aufwiesen, die hauptsächlich aus Bakterien wieLactobacillus und Bacteroides  Im Gegensatz dazu hatten Kaiserschnittgeborene eine geringere Vielfalt und eine stärkere Präsenz von Hautbakterien wie Staphylococcus. Dies liegt daran, dass bei der vaginalen Geburt das Baby direkt mit der mütterlichen Vaginalflora in Kontakt kommt, während bei Kaiserschnitten die Mikroben hauptsächlich von der Haut und der Umgebung stammen.
  2. Geburtsreihenfolge:
    Interessanterweise zeigte die Studie, dass Erstgeborene eine andere mikrobiologische Zusammensetzung aufwiesen als Geschwisterkinder. Geschwister, die nach den Erstgeborenen geboren wurden, hatten eine Mikrobiota, die stärker von den bereits vorhandenen mütterlichen und familiären Mikroben beeinflusst war. Dies deutet darauf hin, dass die Mikrobiota im Laufe der Geschwisterfolge durch den familiären Kontakt und die Umwelt beeinflusst wird.
  3. Geschlecht des Neugeborenen:
    Das Geschlecht spielte ebenfalls eine Rolle bei der mikrobiellen Besiedlung. Mädchen und Jungen wiesen Unterschiede in der Zusammensetzung ihrer Darmflora auf. Diese Unterschiede könnten durch hormonelle Faktoren oder geschlechtsspezifische Immunantworten erklärt werden.

Bedeutung der Ergebnisse

Die Studie unterstreicht, wie komplex und vielschichtig die ersten Schritte der mikrobiellen Besiedlung sind. Der Geburtsmodus hat einen signifikanten Einfluss auf die Vielfalt und Zusammensetzung der Mikroben, was langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte. Die Unterschiede zwischen Erstgeborenen und Geschwistern zeigen, dass die Umwelt und familiäre Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Das Geschlecht beeinflusst ebenfalls die mikrobiellen Gemeinschaften, was weitere Forschungsansätze eröffnet.

Fazit

Die frühe mikrobielle Besiedlung des Neugeborenen ist ein komplexer Prozess, der maßgeblich durch den Geburtsmodus, die Geburtsreihenfolge und das Geschlecht beeinflusst wird. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine vaginale Geburt zu einer vielfältigeren und typischeren Darmmikrobiota führt, während Kaiserschnittgeborene eine geringere Vielfalt aufweisen und stärker von Hautbakterien geprägt sind. Zudem beeinflusst die Reihenfolge der Geburt die Zusammensetzung der Mikrobiota, wobei Geschwisterkinder bereits vorhandene mütterliche und familiäre Mikroben übernehmen. Das Geschlecht des Babys trägt ebenfalls zu Unterschieden in der mikrobiellen Gemeinschaft bei, was auf hormonelle oder immunologische Faktoren zurückzuführen sein könnte. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung der frühen mikrobiellen Besiedlung für die langfristige Gesundheit und legen nahe, dass individuelle Faktoren bei der Entwicklung der Mikrobiota berücksichtigt werden sollten. Das Verständnis dieser Zusammenhänge kann dazu beitragen, Strategien zu entwickeln, um die Gesundheit von Neugeborenen zu fördern und das Risiko für chronische Erkrankungen zu verringern.

Quelle: https://www.researchgate.net/publication/390948272_Delivery_mode_birth_order_and_sex_impact_neonatal_microbial_colonization

Die Kaiserschnittrate in Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten einen deutlichen Anstieg verzeichnet. 1991 lag der Anteil der Kaiserschnittgeburten bei 15,3 %; bis 2023 stieg dieser Wert auf 32,6 %, was bedeutet, dass fast jedes dritte Kind per Kaiserschnitt zur Welt kommt.

Dieser Trend ist auch im internationalen Vergleich bemerkenswert. Deutschland liegt mit einer Kaiserschnittrate von rund 30 % im oberen Drittel der OECD-Staaten. Zum Vergleich: In der Türkei liegt die Rate bei 57 %, während sie in Israel bei 15 % und in Norwegen sowie Island bei 16 % liegt.

Regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands sind ebenfalls festzustellen. In Sachsen war der Anteil der Kaiserschnittentbindungen mit 26,1 % am niedrigsten, während das Saarland mit 36,4 % den höchsten Anteil verzeichnete.

Mehrere Faktoren tragen zu diesem Anstieg bei. Dazu zählen ein höheres Durchschnittsalter der Mütter, vermehrte Risikoschwangerschaften und die Möglichkeit, Geburten besser zu planen. Zudem können medizinische Indikationen und individuelle Wünsche der werdenden Mütter eine Rolle spielen.

Es ist wichtig zu betonen, dass ein Kaiserschnitt, obwohl er in vielen Fällen lebensrettend sein kann, auch Risiken birgt. Daher sollte die Entscheidung für oder gegen einen Kaiserschnitt stets sorgfältig und individuell abgewogen werden. Die aktuelle Entwicklung der steigenden Kaiserschnittraten wird in der medizinischen Fachwelt aufmerksam beobachtet und diskutiert.

 

Quellen
Frankfurter Allgemeine Zeitung

In der Hauptsache werden die Neugeborenen mit den Mikroben der Mutter besiedelt. Nach einer aktuellen Studie zeigte sich, dass die Besiedelung des Neugeborene abhängig vom Geburtsmodus auf unterschiedlichen Wegen passiert. Jedoch war nach einem Monat kaum noch ein Unterschied zu erkennen.

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